Internationaler Frauentag: Designerinnen im Fokus

Zum Internationalen Frauentag stellen wir Ihnen einige fantastische Designerinnen vor, die klar zeigen: gutes Design hat kein Geschlecht!

von

Natalie Glebe

Veröffentlicht am:

March 2, 2023 00:00

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Stellen Sie sich eine geschlechtergerechte Welt vor. Frei von Vorurteilen, Benachteiligungen, Stereotypen und Diskriminierung. Eine diverse, inklusive und gerechte Welt, in der Unterschiebe gefeiert und gewertschätzt werden, in der gemeinsam an einem Strang gezogen wird. Leider gibt es diese Welt auch 2023 noch immer nicht.

Der Internationale Frauentag wird jährlich am 8. März begangen. Er entstand als Initiative sozialistischer Organisationen in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg im Kampf um die Gleichberechtigung, das Wahlrecht für Frauen sowie die Emanzipation von Arbeiterinnen. Erstmals fand der Frauentag am 19. März 1911 statt. 1921 wurde sein Datum durch einen Beschluss der Zweiten Internationalen Konferenz kommunistischer Frauen in Moskau endgültig auf den 8. März gelegt. Im vergangenen Jahr lautete das Motto der UN »Geschlechtergleichstellung heute für ein nachhaltiges Morgen« (Gender Equality Today For A Sustainable Tomorrow). In diesem Jahr ist es »Embrace Equity«.

Hier ist im Englischen der Unterschied der Wörter equity und equality hervorzuheben. Equity beachtet die unterschiedlichen und individuellen Voraussetzungen und Gegebenheiten der Menschen, equality hingegen behandelt alle gleich, die jeweils individuellen Voraussetzungen unbeachtet. Vielleicht kennen Sie das Bild dreier unterschiedlich großer Personen, die vor einem Zaun stehen. Equality: alle haben den gleich hohen Hocker. So kann die größte Person über den Zaun schauen, die kleinste jedoch nicht. Equity: jede Person hat einen individuellen, der Körpergröße angepassten Hocker, damit alle gleichberechtigt über den Zaun schauen können. Im Deutschen könnte man den Begriff Fairness bzw. Gerechtigkeit für equity nutzen.

Also, lasst uns nun gemeinsam den Weltfrauentag, die Leistungen von Frauen feiern und würdigen. Ohne »Wenn« und »Aber«; ohne Aberkennung und ohne Kleinreden. Zusammen können wir eine gerechte(re) Welt schaffen. Aber wir müssen dran bleiben, für mehr Sichtbarkeit sorgen, um Wege zur Geschlechtergerechtigkeit und -gleichberechtigung zu ebnen. Zum Internationalen Frauentag stellen wir Ihnen einige fantastische Designerinnen vor, die klar zeigen: gutes Design hat kein Geschlecht!

Fotos v.l.n.r.: © Marco Craig, Kartell, Andreu World

Kristin Hohmann (Kreativ Direktorin) über Patricia Urquiola (*1961)

Patricia Urquiola ist solch eine großartige und vielseitige Designerin, dass es mir schier unmöglich ist, hier all ihre wundervollen eklektischen Designs aufzuzählen. Selbst mit schwärmenden Adjektiven kann ich mich kaum zurückhalten...

Ihr Name fiel mir das erste Mal im Zusammenhang mit der »M‘Afrique« Kollektion 2004 von Moroso auf, für die einige Künstler:innen eine Kollektion von Gartenmöbeln kreierten und die Schönheit und Stärke Afrikas in ihren Arbeiten vermittelten. Sie war bunt, üppig, groß, laut, traditionell und modern zugleich.

Ein, zwei Jahre später begeisterte mich die hierzu fast konträre zarte, sinnliche, nostalgische Gartenmöbelserie »Re-Trouvé« aus dem Hause Emu, welche traditionelle Formen wiederentdeckte und auf ironische und originelle Weise neu interpretierte.

Und wieder las ich ihren Namen. Patricia Urquiola.

Ich war so freudig überrascht, eine Designerin in solch unterschiedlichen Kollektionen zu finden, dass mir ab diesem Zeitpunkt ihr Name nicht mehr entging. Viele weitere technisch ausgereifte, elegante, phantasievolle, verspielte, pragmatische und trotzdem nie konventionelle Designs für gefühlt alle namenswerten Hersteller folgten über die Jahre und werden auch in Zukunft unser Habitat bereichern.

Ihr Gespür für die Kombination von Stilen, Mustern und Materialien beeindruckt und inspiriert mich in meiner Arbeit als Kreativ Direktorin; als gelernte Maßschneiderin danke ich ihrer Liebe zu all den traditionellen Techniken, welchen somit wieder Beachtung geschenkt wird.

Die Wertschätzung gegenüber dem Handwerk und ihr Ziel, eine Beziehung zu unserem Lebensraum herzustellen – und das gilt sogar für Stoffe (siehe zuletzt z. B. Relate, Reflect und Lumo für Kvadrat) - lassen mein Herz einfach höherschlagen. Danke Patricia.

Hersteller ClassiCon autorisiert von The World Licence Holder Aram Designs Ltd. Fotos v.l.n.r.: © Aram Designs Ltd., Florian Holzherr, Elias Hassos

Ulrike Miltenberger (Marketing) über Eileen Gray (1878-1976)

Die Designerin Eileen Gray ist für mich ein Vorbild. Gerade in den 20er Jahren war es nicht selbstverständlich und auch nicht einfach sich in einem von Männern dominierten Bereich so zu etablieren. Sie schaffte es! Viele ihrer Entwürfe gehören heute zu den Design-Klassikern. Ihr Designstil besticht vor allem durch Funktionalität und Schlichtheit, die kombiniert mit modernen Materialien wie Glas und Stahl bis heute modern wirken. Gerade der »Adjustable Table«, den Gray für Ihre Schwester als Beistelltisch am Bett entwarf, ist ein wunderbares Beispiel dafür. Er vereint alle diese Merkmale und ist dennoch schon seit beinahe 100 Jahren eine Design-Ikone.

Fotos: © Rebecca Uth / Ro Collection

Linda Pietsch (Online Marketing) über Rebecca Uth (*1969)

Nicht zuletzt durch die Gründung ihrer eigenen Marke Ro Collection bin ich auf Designerin Rebecca Uth aufmerksam geworden. Sie entwirft nicht einfach nur unglaublich schöne und zeitlose Möbel und Accessoires im skandinavischen Design, sondern setzt ihren Fokus dabei auf Nachhaltigkeit und Materialforschung. Ihre Designs sind raffiniert und ausdrucksstark gestaltet und vermitteln ein Verständnis für natürliche Werkstoffe und Handwerkskunst. Ich finde, ihre Arbeit hat eine Wirkung auf die Menschen und inspiriert dazu, das Schöne im Alltag zu entdecken.

Rebecca Uth inspiriert mich nicht nur als Designerin, sondern auch als starke Persönlichkeit – eine unabhängige Frau, die ihren ganz eigenen Weg geht und mit ihrer Kreativität und der Leidenschaft zu ihrem Handwerk etwas ganz Großes auf die Beine stellt. Für mich ein absolutes Vorbild! Ich bin gespannt, was wir in Sachen Design in den kommenden Jahren noch von ihr sehen werden!

Fotos: © Studio Besau-Maguerre, Jan Kurtz

Jennifer Valina Allo (Marketing) über Eva Maguerre (*1983)

Eva Marguerre gilt als großes Nachwuchstalent in der Designerszene: Zusammen mit Marcel Besau gründeten die beiden Produktdesigner im Mai 2011 ihr Studio Besau-Marguerre für Design in Hamburg. Ihre Produkte sind puristisch, außergewöhnlich und innovativ. Ungewöhnliche Materialien werden mit auffallenden Farben kombiniert und verleihen den Produkten eine besondere Tiefe. Ein für mich persönlich schönes Beispiel für den gelungenen Mix aus schlichter Eleganz und raffinierter Oberflächengestaltung ist die Gartengarnitur »Alois« für den Möbel-Vertrieb Jan Kurtz.

Fotos: © h + h furniture

Maren Tünker (Online Redaktion) über Gesa Hansen (*1981)

Gesa Hansen trumpft in ihren Gestaltungen mit einer gelungenen Mischung aus skandinavischer Nüchternheit und verspieltem Mid-Century Design auf. Ihr Urvertrauen in die eigene Gestaltung kommt nicht von ungefähr: Schon ihr dänischer Urgroßvater war Architekt mit einem sehr klaren Form- und Farbverständnis, ihr Vater gründete die Möbelfirma Hans Hansen im sauerländischen Arnsberg. Statt aber seine Vorliebe für das kühle Metall zu übernehmen, entwickelt Gesa Hansen aus ihrer glücklichen Kindheit zwischen Bootfahren auf dem See und Schnitzen in der heimischen Werkstatt heraus ihre Leidenschaft für gutes Holzhandwerk. Zwar hat die junge Gesa locker und leicht aus einem einfachen Stück Holz kleine Boote zum Schwimmen gebracht, aber in ihrer damaligen Lieblingsfarbe Rosa durften sie nicht gestrichen werden. Das widersprach dem elterlichen Designverständnis, das mit der Mitnahme der Kinder zum Mailänder Salone del Mobile schon früh geprägt wurde.

Dass Gesa Hansen trotzdem ihre eigene Sichtweise auf das Design entwickelt, verdankt sie einer Vorlesung von Axel Kufus, dem Enfant terrible im Neuen Deutschen Design, am Weimarer Bauhaus. Fortan wechselt sie von der Visuellen Kommunikation zum Produktdesign, saugt die unterschiedlichen Strömungen und Vorstellungen der Gestaltung in Tokyo und Paris auf, schwärmt für Charlotte Perriand und Pierre Paulin, Kenya Hara und Naoto Fukasawa. 2009 ruft die deutsch-dänische Designerin in Paris ihr Studio The Hansen Family ins Leben, was auch auf die enge Zusammenarbeit mit anderen Designer:innen wie zum Beispiel Kitsuné-Art-Director Masaya Kuroki ausgelegt ist. Dieser stete Blick über den Tellerrand führt dazu, dass Gesa Hansen sich stets wieder neu erfindet, ohne jedoch von ihrer Liebe zum Holz und der Handwerkskunst abzurücken. Ihre Möbel und Inneneinrichtungen tragen immer eine Seele in sich, sind fein abgestimmt zwischen klarer Gestaltung, nachhaltiger, umweltbewusster Materialwahl und ausgefeilter Inszenierung.

Fotos: © Northern

Natalie Glebe (Content Marketing) über Cecilia Xinyu Zhang (*1989)

Kunst oder Alltagsgegenstand? Cecilia Xinyu Zhang schafft es, ihre Entwürfe mit dem Raum und Betrachter:in in Beziehung zu setzen und die Nutzer:innen ihrer Entwürfe zu begeistern. Dabei gehen ihre Designs auch oft als nutzbare Kunst durch und verwischen die Grenzen zwischen Wahrnehmung und Realität. Besonders die »Frame« Wandwäschehalter oder die »Nook« Handtuchleiter, entworfen für Northern, gefallen mir, da sie mit eben diesen Eigenschaften sowie der optischen Wahrnehmung spielen und Cecilia Xinyu Zhangs geradliniger Design-Sprache folgen. Ist die Nook Handtuchleiter dreidimensional? Passt sie in eine Zimmerecke oder wird uns ein Streich gespielt? In Benutzung erfüllen beide Objekte ihren alltäglichen, trivialen Zweck, ungenutzt bzw. eingeklappt sind sie so schön, dass man sie gerne offen präsentiert und als skulpturale Raumdeko nutzt.

Geboren und aufgewachsen in der Millionen-Stadt Peking, erlebt sie mit, wie Wohnraum immer kleiner und knapper wird. Dies inspiriert sie, sich in ihren Entwürfen dieser Problematik anzunehmen: ihre Produkte sind oft multifunktional und platzsparend. Für ihr Studium verschlug es sie nach Schweden, wo sie an der Academy of Design and Craft in Göteborg ihren Abschluss machte. Heute lebt und arbeitet Cecilia Xinyu Zhang in Bergen, Norwegen, wo sie auch ihr eigenes Designstudio leitet. Hier schätzt sie die Ruhe, Natur und den Raum, den sich die Norweger:innen gegenseitig geben. Ab und zu verschlägt es sie aber weiterhin nach Peking – einfach um den absoluten Gegensatz von Bergen zu spüren.

Fotos: © Carl Hansen & Son

Vanessa Schaffrath (Online Marketing) über Bodil Kjær (*1932)

Die dänische Professorin und Architektin, Designerin und Stadtplanerin Bodil Kjær wurde im Jahr 1932 geboren und wuchs auf dem Bauernhof Ihrer Familie in der Nähe von Horsens, Dänemark auf. Dort entwickelte sie einerseits Respekt für die Natur, andererseits Interesse an den dynamischen Prozessen der Gesellschaft. Dies spiegelt sich auf die von ihr designten Produkte eins zu eins wider. Ebenfalls ist sie stets darauf bedacht, Produkte zu entwerfen, die auf die Lösung funktioneller und ästhetischer Probleme abzielen. Denn sie hat weder Möbel noch Leuchten entworfen – sie nannte ihre Entwürfe stets »architektonische Elemente«. Ihr Ziel war es nie eindrucksvolle, skulpturale Aussagen zu kreieren, sie wollte stets funktionale, wirtschaftliche und zugleich ästhetisch ansprechende Lösungen finden. Dies ist ihr gelungen – die BK Gartenmöbel Serie, welche sie 1959 unter dem Namen »Indoor-Outdoor« entwickelte, spiegelt ihre skandinavische Wurzeln wider und steht für einen zeitlosen und kompromisslos stabilen Gebrauch.

Die Serie wurde von der Architektin in FSC®- zertifiziertem, dunkel gebeiztem Teakholz entworfen, welches für eine nachhaltigere Waldwirtschaft steht. Das Holz wird aus Wäldern gewonnen, die verantwortungsvoller und nach strengeren ökologischen und sozialen Prinzipien bewirtschaftet werden. Feine Details in der Konstruktion der Gartenmöbel-Serie bringen das dunkel gebeizte Teakholz neu und modern hervor und die auf Abstand verlegten Latten lassen das Regenwasser problemlos abfließen. Somit steht einem langlebigen Gebrauch – auch im Freien – nichts im Wege. Ihre Begeisterung und Liebe zur Natur sowie zu funktionalen, ansprechenden Produktlösungen, lassen mich die Gartenmöbel, welche Innen- und Außenräume ineinanderfließen lassen, förmlich spüren. Ihr Gespür für das Wesentliche sowie ihr Blick für ein zeitloses, modernes und zeitgleich spürbar – naturbewusstes Design faszinieren. Als starke Frau in einer durch und durch männerdominierten Gesellschaft durchbrach sie 1959 jegliche Begrenzungen mit Blick in eine grüne Zukunft.

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